Freigabe Strategischer Ölreserven – Preise schiessen nach oben – warum?

24. November 2021

Geschätzte Leserin und Leser

 

Seit nunmehr über acht Jahren richte ich diese Zeilen an Sie. Ich hoffe, dass ich Ihnen einiges aus meiner über vierzigjährigen Erfahrung im Ölgeschäft vermitteln konnte. Mein Ziel war es, Ihnen Hintergründe und Zusammenhänge im nicht immer einfachen Öl-Alltag in möglichst einfacher Form zu erklären. Zumindest habe ich es versucht. Natürlich hoffe ich, dass meine Analysen Ihnen auch Entscheidungshilfen sein konnten. Die Herausforderung, jeden Morgen einen möglichst informativen Bericht für Sie niederschreiben zu dürfen, war mir immer ein grosses Vergnügen. Nun, Ende Monat gehe ich in Pension. Die morgendliche Analyse des Marktes aus technischer wie aus fundamentaler Sicht in ein paar Zeilen einzupacken - selbst wenn der Markt nicht «viel hergab» - wird mir fehlen. Geben Sie auf sich Acht, behalten Sie sich Sorge.

 

 

Freigabe Strategischer Ölreserven – Preise schiessen nach oben – warum?

 

Gestern wieder einmal ein schönes Beispiel, wie absolut unberechenbar Börsen (im Allgemeinen) reagieren können. Seit Wochen wurde im Markt spekuliert, dass die USA, Japan, China und weitere westliche Wirtschaft-Schwergewichte gewisse Mengen Rohöl und allenfalls Fertigprodukte aus deren Strategischen Reserven (bei uns Pflichtlager) verkaufen würden. Schon der Umstand, dass Strategische Reserven auf den Markt geworfen werden, um aktiv in die Preisbildung einzugreifen, im aktuellen Falle, um die das Preisniveau nach unten zu drücken, ist erstaunlich. Diese Mengen sind Reserven für Notsituationen bei Versorgungsengpässe. Aktuell kann weder in den USA noch anderswo von einem Versorgungsengpass die Rede sein – viel eher sprechen wir von Preiskrisen. Eine Preiskrise, welche wenig in die Strategie der Politik passt. Vor allem nicht in den USA, wo der Benzinpreis sehr oft auch Gradmesser für die reagierende Administration ist.

 

Nun wurden also gestern in den USA 50 Million Fass aus diesen Strategischen Reserven freigegeben, welche nun nach und nach in den Markt einfliessen (weltweite, tägliche Rohölförderung knappe 100 Mio. Fass). Und was macht die Börse? Sie steigt - und wie! Das Rohöl Crude WTI, das Referenzprodukt an der Börse NYMEX in NY, steigt um ca. 5.5% nach oben! Der Preis hätte doch eigentlich fallen müssen. Das gibt es wohl nur eine Erklärung: einerseits wurde diese allfällige Freigabe von Ölreserven in den Vortagen bereits eingepreist und andererseits hat die Mehrheit der Marktteilnehmer eine grössere Freigabe-Menge erwartet. Dies führte zu dieser – von aussen betrachtet – absolut unerwarteten, für uns «unlogischen» Börsenpreis Entwicklung. Aus langfristiger Sicht wird es spannend sein, wie diese «Entfremdung» der Strategischen Reserven interpretiert wird und ob da allenfalls ein Präjudiz Fall geschaffen wurde.

 

Für uns Endkonsumenten machen die Preise – nach einem Rückgang an den Vortagen – wieder einen tüchtigen Hupfer nach oben. Ebenfalls nach oben weiterhin die Rheinfrachten. Niederschläge sind zwar aufs Wochenende angekündigt. Aber: zum einen dürften sich laut Prognosen die Mengen in Grenzen halten und zum andern dürften diese in Form von Schnee bis in tiefere Lagen fallen und werden somit «gebunden» sein. Und anschliessend scheint es kalt zu bleiben. Also mehr als eine moderate Welle auf dem Rhein, allenfalls Stagnation der Rheinfrachten darf nicht erwartet werden.

 

Börsendaten 24.11. 2021 um 08:30 Uhr

ICE-Gasoil DEZ: $691.00 (+5.00$)

ICE-Brent JAN: $82.43 (+0.12$)

NY-Rohöl WTI DEZ: $78.70 (+0.20$)

US-Dollar/CHF: 0.9339 (+0.0004)

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